Man muss ja Konzepte immer mal wieder überprüfen. Besonders gesellschaftliche. Anlässlich des 50. Geburtstags der Sesamstraße zum Beispiel, ob man Kindern die Welt erklären soll. Ich habe nämlich Kinder und bin da in tiefe Zweifel gerutscht.
Ist es wirklich klug von Kindern, wieso, weshalb und warum zu fragen? Und ist es gut, wenn man einfache Antworten gibt?
Zum Beispiel auf die Frage: „Was ist Integration?“
„Nun, das ist zunächst mal eine sehr gute Sache. Es bedeutet, dass man etwas zusammenführen will. Ihr kennt ja die Inklusionsklassen, wo unterschiedlich geartete Kinder zusammengeführt werden.“
„Ja, das sind die Klassen, wo es dauernd Zoff gibt. Wo immer welche verprügelt werden, es furchtbar laut ist und einige nichts verstehen.“
„Richtig. Und nun hat man sich gedacht, wenn man so etwas macht, kann man die Schulzeit verkürzen. Kennt ihr doch. Von G9 auf G8.“
„Klappt aber nicht. In der Nachbarklasse ist immer Terror und die Lehrerin ist schon mal heulend rausgerannt!“
„Ach das war sicher eine Quereinsteigerin, die man wegen ihres Fachwissens eingestellt hat. Wenn man zu wenige Fachkräfte hat, kann man nicht auch noch ein Pädagogikstudium verlangen. Sonst würde sie das mit der Integration sicher hinkriegen. Zum Beispiel hat mir ein richtiger Lehrer erzählt, dass er, während er die Relativitätstheorie diskutiert, einige Schüler bunte Kuller malen lässt. Damit ist anschaulich und aus eigenem Erleben Relativität dargestellt, nämlich wie sich Werte in einem bewegten System verändern.“
„Was ist denn ein bewegtes System?“
„Na, hast du doch beschrieben. Wenn die meisten Kinder während der Stunde herumrennen, statt sitzen zu bleiben. Und genau so ist es auch in der ganzen Gesellschaft unseres Staates. Die Idee dahinter ist, wenn möglichst alle durcheinander rennen, kommen wir im gesellschaftlichen Konsens, also der Meinungsübereinstimmung, schneller voran. Das hat man aus der Quantenphysik gelernt. Es setzt sich durch, was stärker ist. Deshalb baut man jetzt auch Quantenrechner, die viel schneller sind, als normale Computer. Weil die Rechenteile alle möglichen Zustände gleichzeitig annehmen können und sich so am schnellsten gegenseitig eliminieren. So wie die Kinder in deiner Nachbarklasse. Ein bisschen Geduld muss man aber haben. Rom ist auch nicht an einem Tag niedergebrannt worden!“
„Es heißt aber: nicht an einem Tag erbaut worden!“
„Gut aufgepasst. Siehst du, und was früher tausende von Jahren dauerte, machen wir inzwischen in sehr kurzer Zeit durch. Erst vor wenigen Jahrzehnten hat man festgestellt, dass die Erde einer neuen Warmzeit entgegengeht und jetzt schon hat man Ideen, was man da tun soll.“
„Aber keine, die funktionieren. Hab ich im Internet gelesen. Hat man ganz genau berechnet, dass es nicht klappt.“
„Das macht doch nichts. Hauptsache, man tut etwas. Immer in Bewegung bleiben! Dann vergeht die Zeit schneller und viele Probleme haben sich dann auch schon von selbst erledigt.“
Das Gespräch hatte sich in eine Richtung entwickelt, die ich eigentlich nicht angestrebt hatte. Bloß, weil die Kinder eine eigene Meinung haben und immer Fragen stellen. Wie in der Sesamstraße! Dabei wollte ich doch nur die Inklusion erklären.
„Sieh mal, Inklusion wäre zum Beispiel, wenn man die Terroristenfamilien aus Syrien und der Türkei zurücknimmt und sie in kleinen Dörfern ansiedelt. Da wären sie unter ständiger Beobachtung, müssten sich bewegen, weil der öffentliche Nahverkehr spärlich ist und sich mit den Dorfbewohnern auseinandersetzen, in der Freiwilligen Feuerwehr sein und im Kirchenkreis und die Kinder wären in Inklusionsklassen. Sie hätten dann gar keine Zeit mehr, sich mit anderen politischen Ideen zu befassen. Das ist zum Beispiel das Grundkonzept der Sesamstraße.“
„Und, macht man das auch?“
„Nun, das Ganze braucht ja auch Zeit, nicht tausend Jahre, aber vielleicht gibt es diese oder jene Entscheidung schon in den nächsten Jahren. Vielleicht sind die betroffenen Kinder dann noch nicht erwachsen.
Schau mal, einer Inklusionsidee geht erstmal voraus, dass man ein Problem erkennt. Nimm zum Beispiel die Diskussion um den „swarten Piet“ in Holland!“
„Wer ist denn das?“
„Das ist der Begleiter vom holländischen Nikolaus. Ein Schwarzer, oder wie man früher sagte, ein Mohr. Sehr vornehm, teuer gekleidet und bringt den Kindern Freude. Aber einige Leute haben erkannt, dass ein Schwarzer nicht in unsere christliche Weihnachtsordnung passt.“
„Aber Jesus war doch auch kein Weißer und viele Afrikaner sind Christen!“
„Ja siehst du, und jetzt kommt der gesellschaftliche Quantencomputer in Gang. Jeder gegen jeden und alle gegen alle. Und in wenigen Adventszeiten hat sich das Problem gelöst und alle sind irgendwie farbig.“
„Oder man nimmt einen Blauen mit Tentakeln am Kopf oder ein grünes Männchen mit Antennen und weist damit daraufhin, dass wir in Zukunft noch ganz andere Leute integrieren müssen!“
„Wo hast du denn das her?“
„Aus dem Inklusionsbericht des intergalaktischen Sozialministeriums!“
Das könnte auch bei einer RV-Session herausgekommen sein.